Ich sollte innerlich frei sein von Normvorstellungen, frei von Vorurteilen, frei von Bewertungen, frei von Zielvorstellungen, frei von Methodenvorgaben. Äusserlich muss ich frei sein von Chef- oder Trägervorgaben, frei von Zeit- und Kostenzwängen, frei von fixen Arbeits- und Öffnungszeiten.

 

Nur dadurch bin ich frei, mich offen auf die ganz individuelle Eigenart einer Familie und eines jeden ihrer Kinder einzulassen, um gemeinsam mit ihr einmalige Ansätze, Wege und Lösungen zu erarbeiten. Es sind Entwicklungswege. Sie sind nicht auf Andere übertragbar. Sie müssen für jeden individuell gefunden werden.

 

Ich bin also nicht die Fachfrau, die Rezepte an Laien verteilt. Keiner kennt ein Kind so gut wie die Eltern (meist die Mütter) – das mache ich ihnen bewusst und helfe mit, sich selber zur selbstbewussten Fachfrau für die eigenen Kinder zu entwickeln. - Leider stelle ich immer wieder fest, dass die Wahrnehmung der Mütter und ihr feines Gespür für das Kind von sogenannten ausgebildetetn oder studierten Fachleuten völlig ignoriert wird.

 

Die meisten Eltern sind von Schuldgefühlen geplagt und haben Angst, sich als Versager zu outen, wenn sie eine Beratung in Anspruch nehmen. Es gibt in uns und in der Gesellschaft eine unausgesprochene Erwartung, dass Familienleben harmonisch und erfreulich ist. Ist dem nicht so, meint man demzufolge etwas falsch zu machen oder ein Kind mit Defekten zu haben. Kinder haben keine Defekte. Sie sind Persönlichkeiten und jede hat ganz individuelle Besonderheiten. Manche davon sind für die Erwachsenen anstrengend und störend, und man meint, sie durch Therapien oder Medikamente wegmachen zu müssen. Schafft man es aber, diesen Besonderheiten in seinem eigenen Verhalten und durch eine geeignete Umfeldgestaltung gerecht zu werden, stellen sich überraschend erfreuliche Entwicklungen ein.

 

Der Umgang des Erwachsenen mit sich selbst (Selbsterziehung) ist die Grundlage für den Umgang mit dem Kind (Erziehung). Das Kind braucht durch seine Besonderheiten die Weiterentwicklung des Erwachsenen und fördert sie dadurch. Nur durch solche Eigenentwicklung erlebt das Kind im Erwachsenen Führung und Vorbild. So gesehen ist es eben gerade nicht Selbstaufgabe (wie ja sehr häufig behauptet wird), wenn man sich "nur" um seine Kinder kümmert. Vielleicht ist es sogar eine menschliche Entfaltungschance, die kaum ein anderer Beruf bieten kann?

 

·         Ich begleite Eltern auf diesem doppelten Entwicklungsweg ihrer selbst und ihres Kindes. Erstes Ziel ist oft, die lähmenden Schuldgefühle abzubauen, um den Blick auf das Kind und den Weg zu eigener Weiterentwicklung überhaupt freizumachen.

·         Dieser Ansatz von Beratung und Begleitung führte mir bisher vorallem Eltern von Kindern zu, welche auf irgendeine Weise "aus dem Rahmen fallen". Es sind Kinder, die in den üblichen Systemen und mit den üblichen Methoden nicht ohne Reibung "funktionieren" und uns durch ihr Verhalten herausfordern, in uns und um uns Neues zu schaffen. Solche Kinder gibt es immer mehr und zwar nicht deshalb, weil sie aus sogenannten schlechten Elternhäusern kommen.

·         Ihre Eltern gehören keiner bestimmten bildungsmässigen oder sozialen Schicht an. Sie sind – wie ihre Kinder – sehr individuelle Persönlichkeiten, die mehr oder weniger bewusst nach neuen Wegen für sich und ihre besonderen Kinder suchen und nach individueller Wegbegleitung.

·         Um diese Wege begleiten zu können, muss ich natürlich auch die Kinder selber erleben. In meinem Spielzimmer fühlen sie sich meist gleich sehr wohl und kommen gerne bald wieder.

·         Manche Kinder kommen über längere Zeit regelmässig. Es ist ihrer Persönlichkeitsentfaltung förderlich, dass sie hier eine Insel finden: 1 ½ Stunden keinerlei Erwartungen und Anforderungen, stattdessen das ganze Interesse und die volle Aufmerksamkeit eines Erwachsenen, selbstgewählte gemeinsame Spiele und Tätigkeiten und das Erlebnis: ich bin richtig so wie ich bin!

·         Ich bin keine Therapeutin, aber an den Kindern stellen die Eltern und ich immer wieder fest, dass dieses "Inselerleben", dieses "Sich-gut-und-richtig-und-angenommen-fühlen" eine stärkende und heilsame Wirkung hat.

·         Ich halte bewusst keinen inneren Abstand zu den einzelnen Eltern, Kindern und Schicksalen – ich verbinde mit damit. Dadurch entsteht gegenseitiges Vertrauen und eine intimere Wahrnehmung. Den ebenso notwendigen Blick von aussen habe ich trotzdem, denn ich lebe ja keinen Alltag mit dem Kind.

·         Solche Art Begleitung ist – wie man aus den beigefügten Elternberichten lesen kann, sehr fruchtbar und erfolgreich.

·         Man sollte sie m.E. nur ausüben, wenn man selber Erfahrung mit eigenen Kindern hat, d.h. wenn man das Elternsein von innen durchlebt hat. Diese Qualität kann man in keinem Studium erwerben. Eine wunderbare Berufstätigkeit für erfahrene Mütter!

·         Man kann solche Begleitung allerdings nicht in Massen und im Stundentakt leisten. Wollte man sie wirtschaftlich effektiv machen, verliert sie ihre eigentliche Qualität: die menschliche Verbindlichkeit. Das ist bei allen Aufgaben mit Menschen so.