Beim Thema „Kinder in Not“ denkt man heute meist an Millionen von Kindern weltweit, die in äußerer Armut leben, hungern, arbeiten müssen statt gebildet zu werden. Das ist eine gigantische Not, und jedes Engagement, sie zu lindern und zu beheben, ist einen Award wert.

Die Kinder in den Industrieländern sind in einer ganz anderen Not,
einer unsichtbaren Not im oft äußeren Überfluß:
sie stehen unter einem enormen Anpassungs- und Leistungsdruck,
der ihr inneres Kindsein mißachtet.

Etwas plakativ gesagt ist das oberste (wenn auch nicht ausgesprochene) Erziehungsziel nicht nur einzelner Eltern und Erzieher, sondern auch der Politik, der Gesellschaft, daß die Kinder mit möglichst wenig Beziehungsaufwand, so früh und so schnell wie möglich in ein bestehendes politisches, wirtschaftliches und gesellschaftliches System hineinwachsen, darin funktionieren, um es zu unterstützen, zu erhalten und als solches fortzuschreiben: Kinder als künftige Rentenzahler, als künftiges wirtschaftliches Fachpersonal, als künftige willfärige Konsumenten....

Das kreativ verändernde Potenzial aber,
das jedes einzelne Kind mitbringt in die Welt,
ist aus dem Blick auf die Kinder verlorengegangen:

sie sollen möglichst perfekt das werden, was die Gesellschaft meint zu brauchen. Damit legen wir die Quellen für eine menschenwürdigere Zukunft trocken. Dabei ist es für die Menschheit und die Welt heute von vordringlichster Wichtigkeit, den Kindern gerade in den Industrieländern Entwicklungsräume zu geben, in denen sie ihr ganz individuelles Sein und Potenzial entfalten können – wir sind als Erziehende nicht „Macher und Gestalter“ der Kinder, sondern Entfaltungsbegleiter – um die Welt mit ganz neuen, ungewohnten Ideen und Impulsen zu befruchten auch oder grade wenn sie mit dem Bestehenden nicht konform gehen. Wir sehen ja täglich, daß die heute bestehenden Formen nicht nur nicht in der Lage sind, z.B. die äußere Not hungernder Kinder zu beheben, sondern die Nöte nur immer noch größer werden.

Die Entwicklung einer Menschheitskultur,
welche Gerechtigkeit, Würde, Freiheit und Wohlergehen jedem Menschen möglich macht, beginnt bei der Frage, was wir in unseren Kindern sehen und
welche Entfaltungsmöglichkeiten für Neues, Ungewöhnliches wir ihnen zugestehen,
es ist eine pädagogische Frage.

Insofern hängt die Zukunft benachteiligter Menschen dieser Welt direkt davon ab, wie wir nicht benachteiligten Menschen unsere Kinder erziehen: ob wir sie nur als Bewahrer unserer Privilegien betrachten und fördern oder als Impulsatoren und Neuschöpfer.

Der Verein „Würdigung des Kindseins“ will innere und äußere Kindheitsräume schaffen,
in denen Kinder als Bringer neuer Zukunftsimpulse willkommen geheissen werden,
auch wenn sie ungewöhnlich und von der Norm abweichend sind.